Soziale Arbeit und Radikalisierungsprävention

Kritische Überlegungen zur Methodenintegration

Autor/innen

  • Prof. Dr. Jens Ostwaldt IU Internationale Hochschule Berlin

Schlagwörter:

Präventionsarbeit, Radikalisierungsprävention, Methodendiskussion, Soziale Arbeit, Multiperspektivische Fallarbeit, Professionalisierung

Abstract

Der vorliegende Beitrag ist als Diskussionsimpuls zu verstehen und nimmt die Methodendiskussionen innerhalb der Radikalisierungsprävention in den Blick. Soziale Arbeit und Prävention stellen zwei Felder dar, die – zumindest in der Kinder- und Jugendhilfe – seit dem 8. Kinder- und Jugendbericht als Strukturmaxime zusammengedacht werden (Deutscher Bundestag 1990). Für die Radikalisierungsprävention bietet diese Strukturmaxime Anknüpfungspunkte unterschiedlicher Qualitäten. Auf der einen Seite bietet die Soziale Arbeit (1) ein breites Portfolio erprobter Methoden für die Bearbeitung sozialer Problemlagen. Auf der anderen Seite werden (2) kritische Implikationen einer Präventionslogik für die Soziale Arbeit oder auch für die Präventionsarbeit an sich (vgl. dazu z. B. Ceylan und Kiefer 2013) sowie grundsätzlich Kritik an einer „Präventionskonjunktur der Jugendarbeit“ (Lindner und Freund 2001, S. 73) formuliert. Darüber hinaus zeichnen sich innerhalb der deutschen Präventionslandschaft (3) Professionalisierungsbestrebungen ab (vgl. Uhlmann 2017), deren konstitutives Element die Entwicklung eines wissenschaftsbasierten Methodenportfolios ist (vgl. Wilensky 1964; Galuske 2013).

Diese drei Aspekte bilden die Klammer des Beitrags. Exemplarisch werden der jeweilige Stand und das Potenzial der Integration dreier sozialarbeiterischer Methoden und Techniken für die Radikalisierungsprävention diskutiert. Die Multiperspektivische Fallarbeit bietet einen interoperablen Ansatz, der die interdisziplinäre Ausrichtung der Präventionsarbeit methodisch begründen und theoretisch fundieren kann. Als sozialpädagogisches Arbeitsprinzip weisen zudem Funktionale Äquivalente (vgl. Böhnisch 2018) ein hohes Potential für die Implementierung in präventiv begründete Handlungsfelder auf. Nicht zuletzt kann die Sozialraumorientierung, die als Methode in der Kinder- und Jugendhilfe schon breite Anwendung findet, Raum und Radikalisierung zusammenbringen und vor allem im kommunalen Kontext einen Mehrwert bieten.

Die Radikalisierungsprävention nimmt bereits in hohem Maße Bezug auf Methoden der Sozialen Arbeit und der Pädagogik (vgl. Kurtenbach und Schumilas 2021). Ein Diskurs, der diese Methodenübernahme kritisch reflektiert, scheint jedoch, zumindest für die Präventionsarbeit, nur in geringem Umfang zu existieren. Vor dem Hintergrund der Professionalisierungsbestrebungen des Handlungsfeldes der Radikalisierungsprävention stellt dies jedoch ein Spannungsfeld dar, denn 1. stellt die Methodisierbarkeit des Handelns ein konstitutives Merkmal von Professionalisierung und Professionalität dar (vgl. Hafeneger und Ostwaldt 2022, i. V.), das 2. notwendigerweise mit einem Reflexionsprozess über eine Abgrenzung zu spezifischen Tätigkeitsfeldern (hier: Soziale Arbeit) einhergehen sollte.

Auf dieser Grundlage kann es sinnvoll sein, sich von einem weiten Präventionsbegriff, wie er der Primärprävention zugrundliegt und breite Anwendung in der Praxis findet, zu verabschieden und – im eigentlich Wortsinn - präventiv ausgerichtete Projekte von denen mit förderndem Ansatz zu differenzieren. Die Radikalisierungsprävention könnte damit professionelle Kontur gewinnen, während sich Angebote mit förderndem Ansatz nicht dem Primat der Verhinderungslogik unterwerfen müssten.

Autor/innen-Biografie

  • Prof. Dr. Jens Ostwaldt, IU Internationale Hochschule Berlin

    Dr. Jens Ostwaldt ist Professor für Soziale Arbeit an der IU – Internationale Hochschule Berlin mit den Arbeits- und Forschungsschwerpunkten Extremismus, Radikalisierung und Prävention. Zuvor leitete er die Fachstelle zur Prävention von religiös begründetem Extremismus im Demokratiezentrum Baden-Württemberg.

Titelblatt des Beitrags von Prof. Dr. Ostwaldt

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Veröffentlicht

07.12.2022

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Rubrik

Artikel

Zitationsvorschlag

Soziale Arbeit und Radikalisierungsprävention: Kritische Überlegungen zur Methodenintegration . (2022). Zeitschrift für Praxisorientierte (De-)Radikalisierungsforschung, 1(1), S. 4-34. https://www.zepra-journal.de/index.php/zepra/article/view/13